In der medizinischen Versorgung führen Ergebnisse zu weniger vorhersehbaren Ergebnissen, als anzunehmen wäre. Nach Manuel Mandler, ist eine Ursache, dass individuelle und soziale Aspekte der Patient:innen zu wenig berücksichtigt werden, diese aber entscheidend für den Therapieverlauf sein können. Hier beschreibt er, wie Value-Based Healthcare zu einer besseren Versorgungsqualität führen kann. 

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von Manuel Mandler
Founder & CCO von alley
Manuel Mandler treiben langjährige Erfahrungen im Gesundheitswesen an: konsequent steht er für mehr Qualität in der Patientenversorgung ein. Bevor er alley gründete, war er unter anderem als Chief Digital Officer für die Gothaer Krankenversicherung und Verantwortlicher für Digital Health im europäischen Versicherungsnetzwerk EURAPCO tätig.

Die medizinische Versorgung in Deutschland ist unbestritten hochwertig. Sie basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, die in Leitlinien übersetzt und regelmäßig aktualisiert werden. So wird eine jeweils angemessene Behandlung sichergestellt. Dennoch ist zu beobachten, dass die Ergebnisse der medizinischen Versorgung zu weniger vorhersehbaren Ergebnissen führen, als anzunehmen wäre. Eine Ursache ist, dass individuelle und soziale Aspekte der Patient:innen zu wenig berücksichtigt werden, diese aber entscheidend für den Therapieverlauf sein können. Beispiele für solche individuellen und sozialen Aspekte sind die individuellen Lebensumstände bis zu psychopathologischen Dispositionen. Auch spielt die subjektive Patientenperspektive bei der Bewertung einer medizinischen Behandlung eine nur untergeordnete Rolle.

Value-Based Healthcare: Patientenzentrierung stärken

Value Based Healthcare ist ein in zahlreichen Ländern erprobtes Konzept, um den Behandlungsweg patientenzentriert und auf Ergebnisqualität orientiert zu organisieren. In Verbindung mit innovativen Technologien eröffnet Value Based Healthcare die Möglichkeit, die medizinische Versorgungsqualität zu verbessern.

Das Value Based Healthcare Konzept wurde 2006 von dem amerikanischen Ökonomen Michael Porter an der Boston Harvard Business School vorgestellt und basiert im Wesentlichen auf diesen Säulen:  

Die vier Säulen von Value-Based Healthcare

Das VBHC-Konzept wurde 2006 von dem amerikanischen Ökonomen Michael E. Porter an der Boston Harvard Business School vorgestellt. Value-Based Healthcare nach Porter basiert im Wesentlichen auf diesen Säulen:

  • Der Organisation der Versorgung von Patient:innen in sogenannten Integrated Practice Units. Damit ist eine Spezialisierung der Versorgung auf jeweilige Indikationen begleitet von assozierten Fakultäten gemeint. 
  • Der Messung medizinischer als auch patientenbezogener Ergebnisqualität, sogenannte „Outcomes“. Hierfür hat ein Internationales Konsortium von medizinischen Expertinnen und Experten das „International Consortium of Health Outcome Measurement“ (ICHOM) gegründet und für über 40 Indikationen Daten-Sets zur Messung entwickelt. 
  • Eine auf Qualitätsmessungen basierte integrierte Versorgungssteuerung, zusammen mit Leistungserbringern und Kostenträgern und mit entsprechenden Vergütungsvereinbarungen.

  • Die Nutzung von Digitalisierung und Intelligenter Datenanalytik für umfassende Qualitätsmessungen und um die Ergebnismessungen möglichst breit zu Verfügung zu stellen, z.B. in Form von indikationsbezogenen Qualitätsregistern.

Eine Expertengruppe der Europäischen Kommission erweiterte zwischenzeitlich die Definition von Value-Based Healthcare.

Soziale Einflussfaktoren auf die Gesundheit für ein ganzheitliches Verständnis

Das Value-Based Healthcare Konzept von Michael E. Porter wurde 2019 durch eine EU-Expertengruppe um eine Dimension ergänzt, die wesentlich für ein ganzheitliches Verständnis der Patientenreise ist: die sozialen Einflussfaktoren auf die Gesundheit („Social Determinants of Health“). Um die Ergebnisqualität zu messen werden nun auch Faktoren wie das individuelle Lebens- und Arbeitsumfeld oder die familiären Beziehungen einer Person einbezogen. Soziale Einflussfaktoren auf die Gesundheit tragen so zu einem ganzheitlichen Verständnis der individuellen Gesundheit und einer gestärkten Patientenperspektive bei.

Innovative Technologien als Treiber für VBHC

Innovative Technologien und digitale Gesundheitsangebote bieten neue Potenziale: Durch smarte Datenerfassung kann der individuelle Behandlungsweg von Patient:innen möglichst ganzheitlich erfasst werden. Subjektive Einschätzungen der Patient:innen, zum Beispiel zu ihrer Schmerzwahrnehmung oder Beschwerdebelastung, können von ihnen per App oder Wearable selbst erfasst werden und in die Therapiegestaltung einfließen. So kann die Patientenperspektive für eine ganzheitliche Gesundheitsversorgung gestärkt werden und in die Bewertung der Versorgungsqualität einbezogen werden. Die Behandlungsqualität kann kontinuierlich gemessen und Transparenz geschaffen werden.

Value-Based Healthcare in Deutschland: Das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG)

Der Gesetzgeber hat zur Förderung innovativer Versorgungsmodelle Ende 2019 ein wegweisendes Gesetz auf den Weg gebracht: das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG). Das DVG birgt viele innovative Impulse, die für die Etablierung von Value-Based Healthcare Konzepten im deutschen Gesundheitssystem fundamental wichtig sind:

  • Mit der Einführung des Digitale-Versorgung-Gesetz können digitale Medizinprodukte beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als “Digitale Gesundheitsanwendung” (DiGA) zertifiziert werden. DiGAs können dann durch Ärzt:innen auf Rezept verschrieben werden.
  • Es wurde die Förderung der „Entwicklung digitaler Innovationen“ sowie die Förderung von „Versorgungsinnovationen“ durch Gesetzliche Krankenversicherungen im Sozialgesetzbuch Fünf (SGB V) verankert.

  • Es wurden so genannte “Positive Versorgungseffekte” gesetzlich definiert. Unter “Positiven Versorgungseffekten” sind „entweder ein medizinischer Nutzen oder eine patientenrelevante Struktur- und Verfahrensverbesserung in der Versorgung“ zu verstehen.

  • Mit der Einführung des Digitale-Versorgung-Gesetz dürfen Gesetzliche Krankenversicherungen weitgehende analytische Auswertungen auf den Daten der Versicherten durchführen, die das Ziel verfolgen, die „Versorgung der Versicherten anhand des Bedarfs, der aufgrund der Datenauswertung ermittelt worden ist“, mit Versorgungsinnovationen weiterzuentwickeln und „Verträge mit Leistungserbringern unter Berücksichtigung der Erkenntnisse“ abzuschließen.

Die gesetzliche Förderung von Versorgungsinnovationen, der Nachweis positiver Versorgungseffekte durch digitale Innovationen, die analytisch fundierte Bedarfserhebung und die darauf basierende Versorgung von Versicherten im Rahmen eines Versorgungsvertrages zwischen Gesetzlichen Krankenversicherungen und Leistungserbringern bilden eine gute Voraussetzung für die Einbettung Value Based Healthcare – basierter Modelle in diese Versorgungsverträge.

Value-Based Healthcare: Die ersten Schritte sind getan

In Deutschland steht Value-Based Healthcare noch am Anfang, aber erste Bewegungen sind zu erkennen: Digitale Gesundheits- und Versorgungsangebote sind heute nicht mehr aus dem Lebensalltag der Nutzer:innen wegzudenken. Sie komplementieren unsere Gesundheitsversorgung da, wo unerfüllte Bedürfnisse auftreten. Patient:innen sind zunehmend bereit, ihre Gesundheitsdaten mit digitalen Anbietern zu teilen, sofern daraus ein Mehrwert für sie entsteht. Auf Basis eines modernen Datenschutzes entsteht so ein Datenschatz, der die Behandlungsgestaltung durch Ärzt:innen und Patient:innen wesentlich ergänzt. Patient:innen können mit umfassendem Verständnis ihrer Situation souveräner ihren Behandlungsprozess mitgestalten, sodass die Patientenperspektive gestärkt wird. Zusammen mit den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen, die das Digitale-Versorgung-Gesetzt schafft, sind die ersten vorsichtigen Schritte in Richtung Value-Based Healthcare getan.

Quellen

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