Dieses Interview erschien zuerst in “Value Based Healthcare − Ein neues Paradigma für das Gesundheitswesen” des Handelsblatt Research Institute und des Health Circle.

Hier finden Sie den kompletten Report.

""

Herr Mandler, ein Ziel von Value-Based Healthcare ist ja, dass Krankenversicherungen medizinische Behandlungen nicht mehr nach bloßem Aufwand vergüten, sondern abhängig vom Erfolg. Ihr Unternehmen entwickelt Wege, die Qualität von Behandlungen zu messen. Wie geht man da konkret vor?

Wir bei alley erproben gerade in Modellprojekten Systeme, wie die medizinische und patientenbezogene Ergebnisqualität von Arthrosebehandlungen gemessen und in Beziehung gesetzt werden kann. Dabei kooperieren wir mit Kassen, Kliniken und weiteren Leistungserbringern. Um zu bewerten, wie gut ein Krankenhaus Arthrosen in Knie oder Hüfte behandelt, haben wir einen Score „on top“ zu den gesetzlich bestimmten Qualitätssicherungsverfahren entwickelt.
Diese Verfahren definieren Grundvoraussetzungen für einige medizinische Behandlungen, so auch für die Operation von künstlichen Hüft- und Knieersatzgelenken. Zum Beispiel: Richtige Ausstattung der Klinik an Geräten und Personal, Vorhandensein eines zertifizierten Qualitäts- und Risikomanagementsystems etc. Zusätzlich zu diesen Erhebungen betrachten wir öffentlich zugängliche, medizinische Statistiken der Klinik, zum Beispiel die Anzahl der Operationen bzw. Komplikationen, die durchschnittliche Dauer der Aufenthalte etc.
Schließlich fließen in unseren Score noch subjektive Einschätzungen der Patient:innen ein, die wir über einen längeren Zeitraum wiederholt erheben: Schmerzempfinden, Erwartung an die Behandlungen, die Beratungsqualität oder auch die Lebensqualität vor und nach der Behandlung. Wir testen dieses System mit Kliniken und weiteren Leistungserbringern und sind im Austausch mit der Zertifizierungsinitiative für Endoprothetik-Zentren EndoCert.

""

Manuel Mandler ist Informatiker und Founder und CCO von alley. Das Kölner Startup hat eine medizinische Plattform für die Unterstützung von Patient:innen mit Gelenkbeschwerden entwickelt – sowie Systeme für die Qualitätsmessung medizinischer Behandlungen.

Gibt es überhaupt schon Bereiche, in denen grundsätzlich nach Erfolg abgerechnet wird?

Meines Erachtens sieht das deutsche Gesundheitssystem das bislang nicht vor, heute wird volumenund fallbasiert abgerechnet. Es wird aber inzwischen einiges dafür getan, die Qualität von medizinischen Behandlungen zu evaluieren, zum Beispiel im Qualitätsreport über die Krankenhäuser, den der Gemeinsame Bundesausschuss auf der Basis der bereits erwähnten Qualitätssicherungsverfahren erstellen lässt. Auch Kassen versuchen, mit ihren Abrechnungsdaten die Qualität von Behandlungen zu evaluieren. Die Vergütung berücksichtigt aber noch nicht die subjektive Patientenbewertung von Behandlungen. Was wir sehen, sind Schritte in eine qualitätsorientierte Vergütung auf der Basis sogenannter Qualitätsverträge zwischen Kassen und Kliniken. Andere Länder sind hier schon deutlich weiter. In den Niederlanden gibt es Verträge zwischen der größten Krankenversicherung Achmea und dem größten Klinikverbund mit einer Bonus-Malus-Vereinbarung, die sich nach der Ergebnisqualität richten. In Schweden gibt es in allen Regionen Klinik-Rankings auf der Basis von Value Based Healthcare-Parametern — inklusive der subjektiven Bewertungen der Patient:innen.

Wie könnte man Value Based Healthcare denn im Gesundheitswesen etablieren? Indem sich die Branche selbst mehr und mehr dorthin orientiert? Oder durch eine große Gesundheitsreform?

Wir müssen zunächst mit analytisch-basierten Modellprojekten die Kassen überzeugen. Wir wollen ihnen beweisen, dass eine qualitätsorientierte Steuerung und Vergütung von Versorgungsleistungen mit innovativen Versorgungsmodellen nicht nur mittelfristig wirtschaftlicher ist, sondern auch die Patient:innen insgesamt besserstellt. Wir müssen Fachkräfte davon überzeugen, dass es gut ist, wenn die Qualität ihrer Leistung evaluiert und veröffentlicht wird. Im Moment spüren wir noch sehr viele Vorbehalte gegen diese Art der Transparenz. Auch deshalb sind Modellprojekte gut, sie können Ängste nehmen. Um das neue Paradigma aber langfristig und flächendeckend im Gesundheitssystem zu verankern, brauchen wir eine Gesundheitsreform. Nur so lässt sich durchsetzen, dass alle Stakeholder mitmachen. Wir brauchen einheitliche Wege, wie die notwendigen Daten erhoben und verarbeitet werden, auch die aus Befragungen der Patient:innen. Hier wird das Zusammenspiel von Telematikinfrastruktur, ePA und innovativen Medizinprodukten elementar wichtig sein, aber auch die Etablierung von Qualitätsregistern, wie wir das aus anderen europäischen Ländern kennen.

Weitere interessante Fachartikel